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Geschrieben 2019, etwas überarbeitet 2024, ich könnte da noch einiges mehr zu sagen, aber das... ja. Lest.

Schöne Geschichten? Nein. Unwissenden Geschichten als historische Fakten anzutragen ist nur eines: traurig-schaurig.
Daher: Wofür stehen Ovalspangen und Fibelketten?

2017 in Niedersachsen und 2018 in Hessen hörte ich auf Veranstaltungen von Händlern und Teilnehmern untereinander und gegenüber Besuchern, dass
- Ovalspangen von Frauen getragen wurden, die das Mädchenalter (biologisch) verlassen hatten oder auch
- Ovalspangen als Zeichen einer verheirateten Frau standen,
- die Anzahl der Glasperlenreihen bedeutet, wie viele Kinder die Trägerin hatte.

Aus rein unfachmännischer Sicht stelle ich mir die Frage, wie viele Frauen, vom Ehestand abgesehen, dann keine gebärfähigen Frauen waren, da sie ja keine Ovalspangen im Grab hatten. (1)

Aber wieso hatten sie dann Perlen? Ein oder zwei Perlen sind keine unübliche Beigabe, diese auch in der Halsregion gefunden, wohl als Halskette getragen. Die Bedeutung der Halsketten stand nicht Diskussion, es ging um Fibeln und Fibelketten, daher...

zurück zu der Frage ob Fibeln und Fibelketten Indikatoren für den Ehestand und Kinder sind, zu beachten ist, dass Glasperlenketten ohne Ovalspangen öfter als Trachtzubhör anzutreffen sind, hierbei ist eine geringe Zahl von Glasperlen öfter und vereinzelte sehr häufig vorkommend.
Bei den weiteren Lagerfeuerdiskussionen folgte i.d.R. das Argument, dass die Ovalspangen zur Eheschließung überreicht oder, da diese eine lange Laufzeit hatten (die Ovalspangen, ob Ehen früher so eine labile Beständigkeit hatten wie heute, weiß ich nicht), eben von der Mutter der Braut oder des Bräutigams an die Braut als „Erbe zu Lebzeiten“ übergeben wurden.
Ich folgere dann: Der Rest der Wikinger lebte in Wilden Ehen mit unzähligen unehelichen Kindern.

Fazit
Dies ist der Moment an dem ich nach Met frage.

Im weiteren erkläre ich wieso die Argumentation am Lagerfeuer Unfug ist.

Perlen und vor allen Ovalspangen waren Prestigeobjekte wohlhabender Frauen, die Quellen und Fakten führe ich hier nicht weiter aus.
Um die „Ehe- und Kinderthese“ mit Fakten, wenn auch nur mit wenigen Nachweisen, nieder zu schmettern, nehme ich die Besttungen von Birka als Beispiel, da diese hierfür ausreichend dokumentiert sind.

Es gibt als weiterführunde und sehr empfehlenswerte Literatur auf academia.eu von Jörn Staecker: Geschlecht, Alter und materielle Kultur – Das Beispiel Birka (von ihm zur Verfügung gestellt, aus Historia archaeologica – RGA-E Band 70 – Seiten 475–500). (» externer link, Stand 07.01.2024)

Anmerkung für Darsteller Dänemarks, zu Haithabu liegen keine Informationen vor, in den über 1.000 Gräbern (bisher publiziert) inkl. den Kenothaphen sind lediglich 32 Ovalspangen bekannt. In Birka wurden bei vergleichbarer Anzahl der Gräber 291 Ovalspangen in 159 Gräbern angetroffen.
Bei der Zahl der Bestattungen mit Glasperlen ist Haithabu eigentlich gar nicht zu berücksichtigen, 37 Gräber mit etwa 400 Perlen, im Schnitt etwa 10 Perlen. In Birka waren es dreimal so viele Bestattungen mit Perlen (125) mit ca. 5.500 Perlen, im Schnitt 44 Perlen. Es gibt jedoch Bestattungen mit 1-2 Perlen, aber auch mit 100 und mehr Perlen gab. Nun es werden gerne Statistiken erstellt. Auch dieser Fakt und die Anzahl der Perlen ist hier letztendlich irrelevant. (2)

Die Kombination von Ovalspangen und Perlen kam in 73 Bestattungen vor.

Hinweis: Dies sind nur die Angaben zu den Körpergräbern, die ich in „WtDddP?“ berücksichtigt habe. Es verbleibt ein mir derzeit unbekannter Anteil von Brandbestattungen. Ebenso fehlen in den obigen Angaben die Bestattungen ohne Glasperlen bzw. Ovalspangen, die anhand anderer Beigaben als „weiblich“ bestimmt wurden, da ich in meinem Werk nur Bestattungen mit Perlen und/oder Ovalspangen berücksichtigt habe.

Lagerfeuerfazit
159 verheiratete Frauen
73 mit Kindern
86 ohne Kinder
52 unverheiratete oder geschiedene Frauen mit Kindern, sprich in den Bestattungen finden sich Glasperlen aber keine Ovalspangen.

Das spiegelt doch unsere heutige Gesellschaft wieder, oder?

Ein wichtiges Detail zur Fragestellung:
J. Staecker verweist ausdrücklich darauf, das bei weitem noch nicht alle erhaltenen Skelettreste anthropologisch bestimmt wurden, daher hier im Detail,

die bisher anthropologisch bestimmten, publizierten und hier relevanten Bestattungen:
Altersstufe 0-12/13
Grab 463, ein 5-6jähriges Mädchen, bestattet mit einer runden Bronzespange (mittig auf der Brust), im Bereich des Halses 21 Glasperlen. Mit Sicherheit war das Mädchen nicht Mutter eines Kindes - vielleicht einer Puppe? Die runde Bronzespange steht dann für ihren ersten Freund.

Grab 508 ist immer wieder ein für Perlenfreunde begeisterndes Grab mit mehreren Perlenkomplexen, die hier aber nicht zu Diskussion stehen, darüber schreibe ich die Tage. Zu den Beigaben: 306 Perlen, 2 Ovalspangen ohne Lochungen oder andere Befestigungsmöglichkeiten als an den Nadeln, Typ Birka, wie Taf. 61:7), eine gleicharmige Fibel Gruppe I A:1 (ohne Lochung), JBS.
„Trotz eines nicht geschlechtsreifen Alters wird das Mädchen schon gekleidet wie eine erwachsene Frau. Damit entfällt eine Ansprache der Fibeln als ein eventuelles Zeichen für den Eintritt in einen neuen Lebensabschnitt“ (J. Staecker, S. 488)

Grab 606, hier wurde ein 12-13 jähriges Mädchen beigesetzt, zu den Beigaben zählen29 Perlen, 2 Ovalspangen (ohne zusätzliche Befestigungsmöglichkeiten, P42, Taf. 63:3), 1 gleicharmige Silberspange Gruppe V C, JBS.

Anm.: Nach J. Staecker handelt es sich bei den Bestattungen 508 und 606 durch die Dreifibeltracht um eine charakteristische uppländische Tracht. (S. 486) (3)

Für die Juvenis (12/13-25jähren) nenne ich zuerst das Sarggrab 531, eine von drei Frauenbestattungen, bestimmt auf ein Alter von 12–18 Jahren. Die Beigaben sind eine Fibel, 5 Perlen, ein Anhänger, zwei Messer, eine Tatinger Kanne und ein weiteres Tongefäß.

Es heißt im Fundkatalog (Birka I) „Eisenspange (?), jetzt nur noch Fragmente erhalten, die keine Bestimmung zu lassen.“ Die Aussage über die „Fibel“ ist somit nicht relevant, da keine Sicherheit über die Funktion des Eisenfragmentes besteht. Die Lage der Messer ist nicht gesichert, „wohl bei der Eisenspange“.

Zu dem Umstand von Messern und Kämmen in der Schüttung siehe Staecker für Details. Es handelt sich seiner Meinung nach nicht um Beigaben einer vorherigen Bestattung als Beimengungen in der Grabschüttung, da weitere Indizien anderer vorher auf diesem Bestattungsplatz bestatteter Individuen fehlen. Ich stimme dieser Aussage zu.

Letztendlich: neben Perlen finden sich in den Bestattungen (464, 501, 531) dieser Altersstufe auch andere Beigaben, wie Messer, Anhänger, Gefäße, Bronzegewichte, Nadeln und Nadelbüchsen, sogar ein Trichterbecher ist anzutreffen (Sarggrab 464). Dies sind Beigaben, wie sie zu den Beigaben der erwachsenen Frauen zählen.

Es sind umfangreich ausgestattete Gräber mit Beigaben wohlhabender Familien/Sippen. Welche Wünsche, Vorstellungen, Ideen, Werte und Ideale zu dieser Art der Beigaben führten, kann ich nicht sagen. Der Grabfund ist aber kein Unfug. Es gab Kindergräber mit Ausstattungen wie für erwachsene Frauen.

Im Umkehrschluss nichts über den Familienstand- und dessen Verständnis wie eine Bestattung mit Beigaben zu erfolgen hat sagen, und über Kinderehen ist mir aus den Sagas (die dann gerne am Lagerfeuer genannt werden) nichts bekannt.
Ein Rückschluss auf den Familienstand oder die Geburtenzahl, ist auch ohne weitere Indizien schlicht nicht tragbar.

Hinweis
Es gibt auch zwei 5-7 jährige Jungen, die mit Ringfibeln und anderen Beigaben eines Erwachsenen bestattet wurden. Oder „Bei dem Kammergrab 977, der Bestattung eines Jungen im Alter von 10–14 Jahren begegnet uns dann schon eine sehr reichhaltige Ausrüstung, die eine Ringfibel, ein Schwert von 72 cm Länge, ein Pfeilbündel, einen Schild, ein Gewicht, ein Viertel Dirhem, ein Messer, zwei Eissporen, Peitschenstielbeschlag, Pferdezaumzeug, ein Pferd und zwei Pferdeeisnägeln, umfasst.“ (J.Staecker, S. 488).
Das ist dann der „Kinderkrieger von Birka“?

Fazit
Da es nun einmal Bestattungen nicht geschlechtsreifer Mädchen mit dem Inventar einer erwachsenen Frau gibt, lässt sich wohl kein Schluß auf den Familienstand ziehen. Ich höre zwar schon das diese Mädchen in jungen Jahren versprochen waren, .. ich höre es schon...

1) Ich kann das hier nicht ohne Ironie und Sarkasmus schreiben.
2) Ich wollte nur Wissen "raus hausen".
3) siehe 2)

Quellen
Arents, U., Eisenschmidt, S.: Die Gräber von Haithabu I
Arwirdsson, h.: Birka II:1 Die Systematische Analyse der GräberfundeStaecker, J. : Geschlecht, Alter und materielle Kultur Das Beispiel Birka
Barthelmie, T.: Wie trägst DU denn deine Perlen?
Erstmalig erstellt: August 2019

Letzte Änderung am Samstag, 27. April 2024 um 13:13:22 Uhr.


@ Torben Barthelmie, 2003 - 2023